Der „Ausländereinsatz“ stand im starken Widerspruch zur NS-Rassenideologie. Der Angst vor einer „Rassenvermischung“ begegnete die NS-Führung mit strengen Kontaktverboten zwischen der deutschen Bevölkerung und den Zwangsarbeiter:innen. Besonders im Fokus standen hierbei sexuelle Kontakte zwischen Deutschen und ausländischen Arbeitskräften. Sogenannte „GV-Verbrechen“ (GV = Geschlechtsverkehr) wurden mit aller Härte bestraft.
Auch in Jena gibt es einen dokumentierten Fall eines angeblichen „GV-Verbrechens“ zwischen einer deutschen Frau, Irma S., und einem französischen Kriegsgefangenen, Gaston M. Sie sollen sich nahe einer Baustelle auf der Kunitzerstraße kennengelernt haben, wo Gaston von der Jenaer Stadtverwaltung zur Zwangsarbeit eingesetzt wurde. Irma soll Gaston mehrfach Essen vorbeigebracht haben und ihn in ihren Garten eingeladen haben. Denunzianten vermuteten eine Liebesbeziehung zwischen den beiden. In Polizeihaft gestand Irma, womöglich unter Zwang, den einmaligen Geschlechtsverkehr.
In dem Urteil gegen Irma S. heißt es, sie habe „das gesunde Volksempfinden gröblich verletzt“ und „die Ehre der deutschen Frau aufs erheblichste besudelt.“ Irma S. wurde zu einem Jahr und drei Monaten Haft verurteilt. Das Schicksal von Gaston M. ist nicht bekannt.
„GV-Verbrechen“ wurden je nach Geschlecht und Position in der NS-Rassenhierarchie unterschiedlich geahndet. Während polnischen und sowjetischen Männern die öffentliche Hinrichtung drohte, wurden deutsche Frauen öffentlich gedemütigt (z.B. durch das Haare-Abrasieren auf dem Marktplatz) und danach ins Gefängnis oder ins KZ eingewiesen. Auch sowjetische und polnische Frauen wurden in der Regel ins KZ eingewiesen, während deutsche Männer nur mit geringfügigen Strafen zu rechnen hatten. Das Foto aus Eisenach entstand zu Propagandazwecken. Es handelt sich um eine Darstellung des Ereignisses aus Täter-Perspektive. Es entstand in diffamierender Absicht und mit dem Ziel, die rassistische NS-Ideologie zu verbreiten.
Besonders strenge Regelungen galten für polnische und sowjetische Zwangsarbeiter:innen, die als „rassisch minderwertig“ abgewertet wurden. Sie durften seit den „Polenerlassen“ vom 8. März 1940 und den „Ostarbeitererlassen“ vom 20. Februar 1942 nur noch in überwachten Lagern untergebracht werden und waren unter anderem dazu verpflichtet, sich mit „P“- oder einem „Ost“-Abzeichen zu kennzeichnen. Blätter mit Verhaltensvorschriften wie dieses wurden in Betrieben an die deutsche Arbeiterschaft ausgehändigt.
Weiterführende Literatur:
Andrej Bartuschka und Rüdiger Stutz, „Nach außen [herrschte] Ruhe und Ordnung in den Lagern“: Alltagsrassistische Verpflegungspraktiken gegenüber osteuropäischen Zwangsarbeitern von Carl Zeiss im Spiegel eines Prozesses vor dem Sondergericht Weimar, in: Marc Bartuschka (Hg.), Nationalsozialistische Lager und ihre Nachgeschichte in der StadtRegion Jena. Antisemitische Kommunalpolitik, Zwangsarbeit, Todesmärsche, Jena 2015, S. 131-168.
Ulrich Herbert, Fremdarbeiter: Politik und Praxis des „Ausländer“-Einsatzes in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Neuauflage, Bonn 1999.
Jan Jeskow, Der Einsatz von Zwangsarbeitern in den städtischen Betrieben Jenas während der Kriegsjahre 1940 bis 1945, in: Marc Bartuschka, (Hg.), Nationalsozialistische Lager und ihre Nachgeschichte in der StadtRegion Jena. Antisemitische Kommunalpolitik, Zwangsarbeit, Todesmärsche, Jena 2015, S. 97-130.
Dietmar Süß, „Herrenmenschen“ und „Arbeitsvölker“. Zwangsarbeit und Deutsche Gesellschaft, in: Daniel Logemann et al. (Hg.), Zwangsarbeit im Nationalsozialismus. Begleitband zur Ausstellung, Göttingen 2024, S. 238-247.
Autorinnen: Elisabeth Berman, Elsa Hartz